Veranstaltung: | Kreiswahlprogramm 2021 |
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Antragsteller*in: | Kreisvorstand (dort beschlossen am: 13.03.2021) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 14.04.2021, 20:32 |
Antragshistorie: | Version 1 |
A2NEU: Artenvielfalt
Text
Dem Fluss Gestalt zurückgeben - Unsere Weser und die kleinen Fließgewässer
Das heutige Gesicht der Weser ist historisch durch die Siedlungs- und
Wirtschaftsentwicklung geprägt. Kiesabbau, Siedlungen, Landwirtschaft und die
Binnenschifffahrt bestimmen unser Bild von der Weser. Ihre ökologische Funktion
gerät dabei aus dem Fokus.
Dabei kann eine ökologisch gestaltete Weser eine Vielzahl wichtiger Funktionen
für unsere Gesellschaft und die Artenvielfalt übernehmen: Unbebaute,
strukturreiche Auenlandschaften mit Tümpeln, Feuchtwiesen, Auwäldern, trockenen
Sandufern und Kiesinseln bieten Hochwasserschutz für unsere Anrainer-Städte und
-Gemeinden, sie senken den CO2-Ausstoß und wirken dem fortschreitenden
Klimawandel entgegen. Sie kühlen unsere Städte und bieten Lebensraum für
bedrohte Tierarten, wie Fischotter, Blauflügel-Prachtlibelle, Seeadler,
Weißstorch und Biber.
Da das Wasser in Auenbereichen auf größerer Fläche steht, bildet sich auch mehr
Grundwasser, was vor dem Hintergrund des raschen Klimawandels zunehmend an
Bedeutung gewinnt. Aufgrund der stärkeren Wasserbewegung in flacheren
Flussabschnitten sind diese sauerstoffreicher. Aufsteigende Fische, wie der
ursprünglich für die Weser heimischer Lachs, finden sich darin besser zurecht
und die durch Sedimentablagerung entstehenden Kiesbetten bieten optimale
Laichmöglichkeiten in ruhigeren Uferbereichen.
Für die Artenvielfalt in und am Wasser ist aber auch die Verbesserung der
Durchgängigkeit des Flusses für den Fischauf- und -abstieg erforderlich. Dies
betrifft in unserem Landkreis die Wasserkraftanlagen in Hameln. Diese verfügen
zwar über Fischtreppen, ihre Effizienz wird aber durch die hohe
Anströmgeschwindigkeit der Turbinen als gering eingestuft. Viele Fische werden
von den Turbinen angezogen und beim Durchschwimmen verletzt oder getötet. Dies
muss sich ändern.
Die Weser ist Schwerpunktgewässer im niedersächsischen Aktionsprogramm zur
Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie. Damit ist eine starke rechtliche Grundlage
geschaffen worden, auf deren Basis auch finanzielle Mittel akquiriert werden
können. In der Oberweser-Erklärung wurde dies erkannt und man hat sich auf die
Inanspruchnahme aller in Frage kommenden Förderinstrumente zur Umsetzung von
mehr Flussnatur im Einklang mit Naturtourismus verständigt. Wir sehen hier ein
Betätigungsfeld für den nun hauptamtlich geführten Naturpark Weserbergland zur
Vernetzung der relevanten Akteure und werden uns selbst mit allen politischen
Mitteln für die Revitalisierung der Oberweser einsetzen.
Dazu gehört für uns auch die Umsetzung des 2016 durch die Anrainerländer
vereinbarten "Masterplan Salz", wonach die Salzeinleitung durch das Unternehmen
K+S ab 01.01.2022 endgültig beendet sein soll. Kein Salz in unsere Weser - an
diese Vereinbarung fühlen wir uns gebunden und werden unsere politischen
Möglichkeiten nutzen, um ihre Einhaltung durchzusetzen.
Auch unsere kleineren Fließgewässer brauchen politische Aufmerksamkeit. Sie
befinden sich oftmals in einem schlechten ökologischen Zustand und entsprechen
nicht den Vorgaben der europäischen Wasserrahmenrichtlinie. Deutschland hinkt in
dieser Hinsicht weit hinterher. Neben den Belastungen, denen Flora und Fauna
ausgesetzt sind droht nun ein Vertragsverletzungsverfahren mit nicht absehbaren
finanziellen Konsequenzen, nachdem mehrere Umweltverbände berechtigterweise
Beschwerde bei der EU eingelegt haben.
Für diese kleineren Gewässer zweiter und dritter Ordnung, also unsere Quellbäche
und die FFH-Gewässer Emmer, Hamel und Saale, sowie die übrigen Weser- und
Leinezuflüsse, wollen wir kontinuierliche öffentliche Zustandsberichte zur
ökologischen und chemischen Qualität etablieren. Daraus folgernd sollen Pflege-
und Entwicklungspläne entsprechend der europäischen Wasserrahmenrichtlinie
erarbeitet und mit den Unterhaltungsverbänden zur Umsetzung gebracht werden. Die
untere Wasserbehörde muss hier stärker Verantwortung übernehmen und Verstöße
gegen die gesetzlichen Vorgaben ahnden.
Mit dem niedersächsischen Weg verpflichten sich die Landwirte zudem zu einer
Vielzahl von Maßnahmen zur Verbesserung der ökologischen Situation der kleinen
Fließgewässer. Hier nehmen wir sie beim Wort und messen sie am Erfolg.
Lebensräume vernetzen - Unsere Berge
Im Landkreis Hameln-Pyrmont gibt es drei Schlüsselgebiete als Bausteine für den
bundesweiten Schutz alter Buchenwälder. Dies sind die Pyrmonter Berge, der Ith,
der mit seinen 2715 Hektar europäischen Schutzstatus genießt und der Süntel, der
mit dem Hohenstein zumindest in Teilgebieten ebenfalls unter Schutz gestellt
wurde. Die zumeist naturnahen Wälder bieten Lebensraum für eine ganze Reihe
seltener Arten. Bei den Pflanzen sind dies Orchideen, Blaugras und verschiedene
Flechten, bei den Tierarten Charakterarten wie Uhu, Seeadler, Schwarzstorch,
Wanderfalke, Rotmilan, Grauspecht und Fledermäuse. Aber auch Luchs, Wildkatze,
Blindschleiche, Molch, Unke und Salamander nehmen diesen Lebensraum gerne an,
sofern es ihnen gelingt, vom Menschen geschaffene Barrieren zu überwinden. Die
Naturbereiche sind durch Siedlungen, Straßen und Agrarlandschaften zerschnitten,
mit stetigem Rückgang an Hecken- und Grünstreifen – auch in unserem Landkreis.
Der Vernetzung von Lebensräumen kommt deshalb eine wichtige Rolle für den Erhalt
der Artenvielfalt zu.
Auch der Niedersächsische Weg sieht 10% der Landesfläche außerhalb des Waldes
und von Siedlungsgebieten für die Schaffung eines landesweiten Biotopverbundes
vor, um durch die Wanderung der Arten einen genetischen Austausch und letztlich
ihr Überleben zu ermöglichen. Je nachdem, welche Art geschützt werden soll, kann
sowohl der Erhalt der Offenlandlebensräume, wie auch die Waldvernetzung durch
Anpflanzung von Wildkorridoren eine geeignete Erhaltungsmaßnahme darstellen. Die
Herstellung eines abwechslungsreichen Lebensraumnetzes ist deshalb das Ziel.
Gehölzbetonte Biotope, Hecken, Offenland und Gewässer müssen sich gegenseitig
ablösen.
Mit dem Wildkatzensprung des BUND und dem Gelbbauchunkenprojekt des NABU sind in
unserem Landkreis bereits zwei große Umweltverbände mit ausgezeichneter
Expertise in Sachen Biotopvernetzung tätig. Diese Leuchttürme wollen wir
politisch weiterhin eng begleiten und unterstützen - auch mit Blick auf eine
größtmögliche Ausschöpfung der europäischen und nationalen Fördermittel.
Im Niedersächsischen Weg wurde darüber hinaus diverses artenreiches Grünland in
den Status gesetzlich geschützter Biotope gehoben. In unserem Landkreis sind
davon etliche Flächen umfasst, wie zum Beispiel in den Überschwemmungsgebieten
von Flüssen und Bächen oder aber in den erosionsgefährdeten Bereichen unserer
Mittelgebirgszüge. Darüber hinaus gelten auch Streuobstwiesen mit Hochstämmen ab
einer Größe von 2500 qm ab sofort als Biotope. Bündnis 90/ Die Grünen werden
sich dafür einsetzen, dass diese Biotope durch die Verwaltung zügig erfasst und,
im Dialog mit den Eigentümer*innen, der Erhaltungszustand verbessert wird, eine
Bewirtschaftung aber grundsätzlich möglich bleibt. Dafür stellt der
Niedersächsische Weg Anreize und Ausgleichsmittel zur Verfügung, die wir
ausschöpfen wollen.
Im Landkreis Hameln-Pyrmont gibt es zahlreiche ehemalige Bergwiesen, die
aufgrund der veränderten Art der Nutzviehhaltung oder aus anderen Gründen nicht
mehr beweidet oder gemäht werden. Wenn diese verbuschen oder für den Ackerbau
umgebrochen werden, gehen damit einzigartige Biotope unwiderbringlich verloren.
Bündnis 90/Die Grünen werden sich dafür einsetzen, dass ein weiterer
Biotopverlust verhindert wird. Wir wollen dafür die Mittel aus dem
Niedersächsischen Weg nutzen und neben der Vereinbarung von
Landschaftspflegeverträgen mit den bewirtschaftenden Personen oder Unternehmen
den Einsatz von Schafen und Ziegen zur Landschaftspflege fördern.
Dafür soll, in Kooperation mit den Kommunen und dem Naturpark Weserbergland, ein
kreisweites Beweidungskonzept für entsprechende Biotope erstellt und ein
Interessenbekundungsverfahren unter den hiesigen Schäfereien ausgeschrieben
werden. Unter der Federführung des Naturparks Weserbergland soll dieses Konzept
touristisch und - im Sinne von Bildung für nachhaltige Entwicklung - mit
Kindergärten und Schulen ausgebaut werden. Das Konzept kann gleichzeitig im
Rahmen einer Regionalmarke und Direktvermarktung von Fleisch und Wolle den
Bekanntheitswert unserer Region auch außerhalb des Landkreises steigern und
Impulse für die wirtschaftliche Entwicklung geben.
Der Errichtung einer Schadstoffdeponie im Landschaftsschutzgebiet Ith, erteilen
wir eine Absage – nötigenfalls auch mittels eines Klageverfahrens. Eine erneute
Verlängerung des Abbaubetriebs lehnen wir ebenfalls ab. Stattdessen werden wir
uns auch weiterhin dafür einsetzen, dass der ausgebeutete Steinbruch für den
Naturschutz entwickelt wird.
Bezüglich möglicher kleinklimatischer Veränderungen im Totental, durch die
Erweiterung des Steinbruchs Langenfeld, bleiben wir hartnäckig mit der Unteren
Naturschutzbehörde im Gespräch und bestehen auf die Veröffentlichung
entsprechender Messungen und die Umsetzung sich daraus ergebender notwendiger
Maßnahmen.
Die Pläne der Firma Rheinkalk, im Rahmen der Reaktivierung des Gesteinsabbaus im
Steinbruch Voska in Salzhemmendorf, den Abtransport des Gesteins von der Schiene
vollständig auf LKW zu verlagern, lehnen wir ab. Die Anlage soll dem Unternehmen
zufolge mit einer Leistung von 300 Tonnen pro Stunde an sechs Tagen in der Woche
von 6-22 Uhr betrieben werden. Um die dabei entstehenden Gesteinsmengen
abzutransportieren, sind je Stunde 22 LKW-Bewegungen erforderlich – 11 leere LKW
zum Steinbruch, die dann beladen erneut durch den Flecken fahren. Die dadurch
entstehende Belastung für die Bevölkerung – alle drei Minuten ein 40-Tonner
durch die kleinen Orte – halten wir für unzumutbar und werden uns auch weiterhin
mit den uns zur Verfügung stehenden politischen Mitteln gegen eine Genehmigung
einsetzen.
Mit der Ökologischen NABU-Station Oberes Wesertal steht jetzt endlich auch für
den Landkreis Hameln-Pyrmont eine Vor-Ort-Betreuung für unsere FFH-Gebiete zur
Verfügung. In enger Abstimmung mit der unteren Naturschutzbehörde werden die
Schutzgebiete überwacht und durch zielgerichtete Maßnahmen an der Verbesserung
ihres Erhaltungszustandes gearbeitet. Unter Respektierung ihrer konzeptionellen
Grundsätze werden wir die Arbeit der Ökologischen Station politisch begleiten
und unterstützen.