Veranstaltung: | Kreiswahlprogramm 2021 |
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Antragsteller*in: | Kreisvorstand (dort beschlossen am: 13.03.2021) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 12.04.2021, 19:17 |
Antragshistorie: | Version 1 |
A8NEU5: Verwaltung
Text
Das Verwalten gestalten – Politische Richtlinien für die Verwaltung
Eine moderne Verwaltung muss Dienstleisterin und Partnerin der Bürger*innen
sein. Dazu muss sie personell und technisch gut ausgestattet werden. Moderne
Verwaltung steht für Bürger*innennähe, kurze Wege, hohe Beratungsqualität,
Sensibilität und nachvollziehbare Entscheidungsprozesse.
Dabei kommt es nicht zuletzt auf eine konsequente Umsetzung der Möglichkeiten
der Digitalisierung an. Eine digitale Verwaltung darf sich jedoch nicht damit
begnügen, einfach nur bestehende Vorgänge zu digitalisieren. Die Verwaltung soll
besser, dynamischer, niederschwelliger und bürger*innennäher werden. Der
digitale Behördengang muss durch seine Ausgestaltung für möglichst alle Menschen
beherrschbar sein. Selbstverständlich müssen die Verwaltungsdienstleitungen des
Landkreises und der Kommunen aber auch weiterhin in vollem Umfang analog zur
Verfügung stehen.
Mit einer E-Government-Strategie für den Landkreis Hameln-Pyrmont wollen wir
dafür sorgen, dass alle digitalisierbaren Verwaltungsdienstleitungen spätestens
Anfang 2023 digital angeboten werden. Der Datensicherheit wird dabei höchste
Priorität eingeräumt.
Das Online-Zugangsgesetz (OZG) verpflichtet die öffentlichen Verwaltungen in
Bund, Land, Kreis, Städten und Gemeinden, ihre Dienste bis spätestens Ende 2022
digital zugänglich zu machen. Diese Vorgabe soll auch unser Landkreis umsetzen.
Das Ziel ist ein unkomplizierter, sicherer und barrierefreier Zugang zu allen
Verwaltungsleistungen.
Digitalisierung bedeutet jedoch weit mehr als die Umsetzung des OZG. Die
Coronapandemie hat gezeigt, dass die Wirtschaftssektoren, in denen Formen
digitaler Zusammenarbeit schon weit fortgeschritten sind, am wenigsten unter der
Krise leiden. Es geht darum, die digitale Infrastruktur über die öffentlichen
Verwaltungen hinaus auszubauen, um digitale Prozesse zu ermöglichen, zu stärken
und krisensicher zu machen.
Das betrifft viele Bereiche des Alltags: Wirtschaftsunternehmen ebenso wie das
Privatleben, kulturelle und mediale Angebote ebenso wie Bildung und Erziehung.
Digitalisierung ist nicht zuletzt eine Frage der gleichberechtigten Teilhabe am
öffentlichen und wirtschaftlichen Leben.
Die Digitalisierung, beispielsweise der Schulen, setzt Investitionen in die
Netzinfrastruktur, in Hardware, in das IT-Management und die Kompetenz zum
Umgang mit Informationstechnologie voraus. E-Learning funktioniert nur, wenn
alle Schüler*innen gleichermaßen Zugang zu Endgeräten und zum Internet haben,
wenn sie damit umgehen können und wenn auch die Lehrenden über ausreichend
Erfahrung und Kompetenz im Einsatz digitaler Medien verfügen.
Wir GRÜNE fordern:
• Umsetzung des Online-Zugangsgesetzes für alle Verwaltungsdienstleistungen bis
2022
• Schließung der Lücken der Breitbandversorgung
• Bereitstellung freier WLAN-Zugangspunkte an den zentralen Punkten des
öffentlichen Lebens (Verwaltungen, Gemeinschaftshäuser, Umsteigebereiche des
ÖPNV) mit Fokus auf Sicherheit und Datenschutz. Insbesondere sollten dabei
nichtkommerzielle und unabhängige open-source-Angebote genutzt werden.
• Ausstattung aller Schüler*innen mit einem digitalen Endgerät in aktuellem
Standard. Familien mit geringem Einkommen sind dabei finanziell zu unterstützen.
• Wir treten dafür ein, die Mitarbeiter*innen konsequent für die Aufgaben einer
digitalen Verwaltung fortzubilden.
• Mit einer Hameln-Pyrmont-App wollen wir Informationen, regionale
Veranstaltungen und Märkte, Hilfs- und Unterstützungsangebote, Adressen von
Vereinen und Unternehmen zugänglich machen und die Möglichkeit schaffen, Termine
bei Behörden und anderen öffentlichen Stellen zu buchen.
In der Verwaltung liegen viele Informationen vor, die für Bürger*innen,
Unternehmen und Verbände von großem praktischem Nutzen wären. Wir fordern, dass
diese Information aufbereitet und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt
werden.
Konkret sollten Kartendaten aus der Verwaltung, soweit irgend möglich zur
Verfügung gestellt werden. Dabei sollten z.B. geplante Sperrungen,
Bautätigkeiten, die Position von Straßenschildern und deren Veränderung
vollautomatisch aus dem intern genutzten Geo-informationssystem veröffentlicht
werden. Diese Transparenz an Information gilt z.B. auch für den genauen
Zuschnitt von Katastergebieten (Wohn-/Gewerbegebiete) Landschafts- und
Naturschutz und den dort geltenden Vorschriften sowie für die Ergebnisse von
Ausschreibungen zur Auftragsvergabe.
Viele dieser Informationen sind ohnehin verfügbar – man müsste „nur einmal in
der Verwaltung nachfragen“. Wir fordern aber, dass diese Pro-Aktiv der
Öffentlichkeit in maschinennutzbarer Form zur Verfügung gestellt werden.
Darüber hinaus wollen wir, dass sich langfristig die Herangehensweise der
Verwaltung an Transparenz ändert. Alle Informationen, zu deren Veröffentlichung
gesetzlicher Ermessensspielraum besteht, sollen soll nicht per Standard geheim
(„verwaltungsintern“), sondern standardmäßig der Öffentlichkeit zugänglich sein.
Es ist rechtlich möglich, dass die Meldebehörde persönliche Daten der
Bürger*innen (Adresse, Geburtsdateum, usw.) an Interessent*innen gegen
Geldzahlung übermittelt. Wir fordern eine individuelle Informationspflicht, wenn
Daten an dritte Einzelpersonen übermittelt werden und eine jährliche
Berichterstattung der Verwaltung in einem öffentlichen Ausschuss, welche
Datenarten in welchem Umfang und zu welchem Zweck an welche Unternehmen
herausgegegeben wurden.
Die Bürger*innen haben ein Anrecht auf größtmögliche Transparenz politischer
Entscheidungen. Öffentliche Ratssitzungen müssen daher künftig ins Internet
gestreamt werden. Dies sollte so gestaltet werden, dass die gestreamten
Sitzungen geschützt und nicht kopiert werden können. Damit soll dem Umstand
Rechnung getragen werden, dass ehrenamtliche Kommunalpolitiker*innen zumeist
rhetorisch ungeschult agieren und das Internet „nicht vergisst“.
Neben transparenten politischen Entscheidungsprozessen ist eine kreative, breite
Bürger*innen-Beteiligung weit über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinaus
wichtig. Mit der grünen Forderung nach einer breit besetzten Begleitkommission
zum Rückbau des AKW Grohnde, die inzwischen ihre Arbeit aufgenommen hat, haben
wir dazu schon einen wichtigen Beitrag geleistet. So soll es auch in anderen
Bereichen, z.B. mit der Einrichtung des Dialogforums Landwirtschaft unter
Beteiligung von Landwirt*innen, Politiker*innen und Verbraucher*innen und mit
Unterstützung der Verwaltung weitergehen. Für andere gesellschaftlich relevante
Themenbereiche sind Bürger*innen-Räte, die in einzelnen deutschen Kommunen
bereits erfolgreich eingesetzt worden sind, eine sinnvolle Ergänzung zu
politischen Beratungen.
Um die Effizienz der Kreisverwaltung zu steigern, sind wir bestrebt,
themenbezogene Benchmark-Prozesse mit anderen Städten ähnlicher Größe
anzustoßen. So sollen Stärken und Schwächen in zentralen Politikfeldern, wie zum
Beispiel der Umsetzung des Klimaschutzes, der Förderung des ÖPNV und des
Radverkehrs offengelegt werden. Aus dieser Analyse sollen in allen
organisatorischen Einheiten Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz in diesen
Themenfeldern definiert werden.
Die Gleichberechtigung von Frauen muss auch in unserer Verwaltung hohe Priorität
haben. Mindestens 50% der Führungspositionen unserer Verwaltung müssen deshalb
mit Frauen besetzt werden. Durch eine professionelles Diversitätsmanagement soll
zudem sicher gestellt werden, dass sich die Vielfalt der Gesellschaft auch in
den Mitarbeiter*innen der Verwaltung widerspiegelt.
Die Kreisverwaltung sollte bei der Beschaffung mit gutem Beispiel vorangehen:
Ein an Ressourcenschonung und kurzen Wegen orientiertes nachhaltiges
Beschaffungssystem leistet einen wichtigen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz
im öffentlichen Leben. Dafür sollen schrittweise alle Tätigkeitsbereiche der
Verwaltung einer kritischen Analyse unterzogen werden. Eine stärker regionale
Orientierung fördert dabei regionale Wertschöpfungsketten.
Der Landkreis Hameln-Pyrmont ist untere Wasserschutzbehörde. In der Kreispolitik
spielt die Qualität und Menge unseres Trinkwassers bislang eine eher
untergeordnete Rolle. Dies wird den kommunalen Eigengesellschaften und
Wasserversorgungsverbänden überlassen. Im Prinzip ist das auch richtig. Vor dem
Hintergrund zurückgehender Niederschläge und sich verstetigend regelmäßiger
Dürreperioden aufgrund des Klimawandels benötigt unser Trinkwasser aber eine
größere Aufmerksamkeit auch auf Landkreisebene.
Es stellt sich die Frage, ob wir über ausreichend Trinkwasserschutzgebiete
verfügen, um unsere Bevölkerung auch in Zukunft mit sauberem Trinkwasser
versorgen zu können, und ob die bestehenden Schutzgebiete ausreichend geachtet
werden. Um hier auch politisch Einblick zu gewinnen, wollen wir die untere
Wasserbehörde verpflichten, der Politik jährliche Trinkwasser-Berichte
vorzulegen, in denen sich die chemische Qualität des Trinkwassers, die zur
Verfügung stehenden Wassermengen, sowie die Entnahme- und Reproduktionsraten
abbilden. Dies fordern wir auch für die zurückliegenden 10 Jahre ein, um ein
Bild über die bisherige Entwicklung unserer Trinkwasserressourcen zu erhalten
und diese mit den aktuellen Daten vergleichen zu können.
Diese Forderung wird durch Angaben des Landesministeriums für Umwelt, Energie,
Bauen und Klimaschutz zur Einhaltung der Grenzwerte für Nitrat (50mg/l)
beispielhaft für die Stadt Hameln untermauert. Das Trinkwasser für die Menschen
in Hameln speist sich aus vier Quellen. Drei dieser Quellen (damit der Großteil
des geförderten Trinkwassers) halten die Grenzwerte nicht mehr ein. Dieses
Wasser ist damit nur noch bedingt als Lebensmittel geeignet.
Eine dauerhafte Veränderung ist nur möglich, wenn die Entsorgung von Abfall aus
der agro-industriellen Massentierhaltung in den für das Grundwasser relevanten
Gebieten aufhört. Langfristig muss das Ziel sein, dass keine Quelle für
Trinkwasser in Hameln-Pyrmont mehr als ein Zehntel des gesetzlichen Grenzwertes
aufweist. Um dieses Ziel zu erreichen fordern wir eine Überarbeitung der
Wasserschutzverordnungen mit dem Ziel einer tatsächlichen Mengenbegrenzung des
ausgebrachten Nitrats.
Auch im Tierschutz verlangen wir einen stärkeren politischen Einblick in die
Aufsichtstätigkeit der Verwaltung. Seit 40 Jahren steht grüne Politik für einen
schonenden und respektvollen Umgang der Menschen mit ihrer Umwelt und mit den
Tieren. In Niedersachsen ist es die Aufgabe der Kommunen, das Tierschutzgesetz
umzusetzen. Wir wollen mehr Transparenz im Tierschutzvollzug: Das für den
Tierschutzvollzug im privaten wie im gewerblichen Bereich zuständige
Veterinäramt soll dem Kreistag jährlich einen öffentlichen Bericht über Verstöße
gegen das Tierschutzrecht und die behördlichen Maßnahmen vorlegen. Gewerbliche
Tierhalter*innen sollen unangemeldet und mindestens einmal im Jahr auf die
Einhaltung von Hygiene- und Tierschutzregeln kontrolliert werden. Im Rahmen
unserer politischen Möglichkeiten werden wir uns dafür einsetzen, dass keine
weiteren Genehmigungen für Massentierhaltungs- und Großschlachtanlagen mehr
erfolgen.